Technologischer Wandel in der Gesundheitswirtschaft

Gesund dank digitaler Helfer

Von Michael Gneuss und Katharina Lehmann · 2021

Die Corona-Pandemie zeigt: Viele Aspekte unseres Lebens lassen sich auch digital gestalten. Dieser technologische Wandel macht auch vor der Gesundheitswirtschaft nicht halt – zum Wohl der Patienten. Denn digitale Technologien bieten schon heute wertvolle Hilfen im Kampf gegen Krankheiten.

Frau benutzt Gesundheits-Apps. Thema: Technologischer Wandel in der Gesundheitswirtschaft
Foto: iStock/ metamorworks

Nicht erst seit Corona schreitet die Digitalisierung des Gesundheitswesens voran. Doch die Pandemie hat dem technologischen Wandel in den vergangenen Monaten einen mächtigen Schub verpasst. Und das ist auch gut so. Der Aufholbedarf zeigt sich zum Beispiel in den Gesundheitsämtern. Nur 111 der insgesamt 375 Ämter setzten nach Angaben der Gesundheitsministerkonferenz zum Jahresbeginn SORMAS, eine mobile digitale Software zur Epidemiebekämpfung, ein. In vielen Behörden greifen die Mitarbeiter bei der Datenübertragung dagegen nach wie vor zum Faxgerät. Doch nicht nur die Gesundheitsämter arbeiten weitgehend analog. Noch immer kommunizieren 93 Prozent der Ärzte in Papierform untereinander und mit anderen Einrichtungen wie Krankenhäusern. Lediglich 44 Prozent der Gesundheitseinrichtungen tauschen ihre Daten laut der Analyse digital aus, hat der aktuelle E-Health-Monitor der Beratungsgesellschaft McKinsey ergeben.

Zur Kontaktnachverfolgung gibt es seit Sommer vergangenen Jahres zwar die Corona-Warn-App der Bundesregierung. Über die vom Bayerischen Ministerpräsidenten Markus Söder (CSU) im Herbst als „zahnloser Tiger“ bezeichnete Software wurden bisher etwa zehn Prozent aller positiven Testergebnisse gemeldet.

Was dem Tool fehlt, sei unter anderem eine Cluster-Erkennung, meinte Henning Tillmann, Ko-Vorsitzender des Vereins „D64 – Zentrum für digitalen Fortschritt“ anlässlich eines Webinars der Europäischen Akademie für Informationsfreiheit und Datenschutz (EAID). Dazu könne das manuelle Scannen eines QR-Codes an Orten mit vielen Menschen wie Restaurants dienen. Risiken würden dann nicht eins zu eins, sondern mit Bezug zur Umgebung ermittelt. So könne man die Zahl von Smartphones in der Nähe, die Bewegungen des Nutzers und die Örtlichkeit feststellen, das heißt, ob sie sich im Freien oder in einem Innenraum befindet. „Der Datenschutz wäre dabei nicht eingeschränkt worden“, sagte Tillmann.

Es geht voran mit dem technologischen Wandel in der Gesundheitswirtschaft

„Die Corona-Krise hat gezeigt, dass wir in allen Bereichen Nachholbedarf haben“, erklärt David Matusiewicz, Professor für Gesundheitsmanagement an der FOM Hochschule in Essen und Experte für digitale Gesundheit, gegenüber dem Business Insider. Doch in der Pandemie seien auch viele Widerstände gebrochen worden. „Diejenigen, die sich bisher gegen Telemedizin gewehrt haben, sind nun verstummt“, sagt Matusiewicz. Videosprechstunden oder die Krankschreibung per Telefon hätten sich bewährt.

Ein weiterer digitaler Fortschritt ist die elektronische Patientenakte (ePA), die seit dem 1. Januar alle gesetzlich Versicherten erhalten können. Dort sollen Diagnosen, Röntgenbilder und Testergebnisse, Medikationsplan, Reha-Empfehlungen und Impfungen gespeichert werden. Ärzte können nur dann auf die Daten zugreifen, wenn der Patient es erlaubt.

Apps unterstützen

Quelle: Deloitte, 2020

Zudem gibt es mittlerweile die sogenannten Digitalen Gesundheitsanwendungen (DiGA), also Apps, die Patienten bei der Kontrolle chronischer Krankheiten unterstützen, seit vergangenem Jahr auch auf Rezept. Diese digitalen Helfer rufen zum Beispiel zu einem gesünderen Lebensstil auf, Analysetools überwachen Vitalparameter wie Blutdruck oder Blutzucker und wieder andere Anwendungen führen Tagebuch über die Schmerzbelastung oder erinnern an die Medikamenteneinnahme. Unterstützen sollen sie vor allem bei chronischen Erkrankungen wie Diabetes und Herz-Kreislaufleiden, bei Rheuma und Migräne oder bei Übergewicht oder Tabakabhängigkeit.

Auf Rezept können Ärzte Gesundheits-Apps verordnen, die "bei Krankheiten, Verletzungen oder Behinderungen eine Unterstützung beim Erkennen, Verhüten, Lindern oder Behandeln bieten", heißt es bei der Verbraucherzentrale Nordrhein-Westfalen. Immerhin 59 Prozent der Deutschen können sich vorstellen, solche Apps zu nutzen, 40 Prozent wollen ihren Arzt sogar aktiv danach fragen, hat eine Umfrage des Branchenverbands Bitkom im Sommer vergangenen Jahres ergeben. „Gesundheits-Apps auf Rezept können das bisherige medizinische Angebot in Deutschland sehr gut ergänzen und bringen die dringend notwendige Digitalisierung des Gesundheitssystems einen großen Schritt voran“, heißt es beim Bitkom.

Auch Psychotherapie geht digital

Und auch zur Unterstützung bei psychischen Krankheiten stehen den Patienten immer neue Gesundheitsanwendungen zur Verfügung. Denn noch immer warten Patienten oft mehrere Monate auf einen freien Platz beim Therapeuten. Dank der digitalen Angebote „können Wartezeiten besser überbrückt und niedrigschwellige Hilfen geleistet werden, auch bei Menschen bei denen Hürden bestehen, eine Face-to-Face-Psychotherapie aufzusuchen, zum Beispiel aufgrund des Corona-Infektionsrisikos“, heißt es bei der Akademie für Angewandte Psychologie und Psychotherapie (APP Köln). Zudem könnten Vernetzungen zwischen Versorgungsanbietern und Nutzern kurzfristiger und ortsunabhängiger erfolgen. Die Psychotherapie-Apps bieten neben dem virtuellen Kontakt zum Therapeuten Selbsthilfetrainings, aber auch virtuelle Realitäten zur Konfrontation mit angstauslösenden Situationen.

Gleichzeitig setzten in den vergangenen Pandemie-Monaten auch immer mehr Psychotherapeuten auf Videochat. So nutzten im April des vergangenen Jahres laut einer Umfrage der Deutschen Psychotherapeutenvereinigung unter rund 4.500 Mitgliedern drei von vier Psychotherapeuten die Möglichkeit der Videobehandlung. Zwar kam noch rund die Hälfte der Patienten weiterhin zur Behandlung in die Praxis, doch nur jeder Fünfte lehnte Videositzungen grundsätzlich ab. Im weiteren Verlauf des Corona-Jahres haben gar neun von zehn Psychotherapeuten Sitzungen per Video angeboten, um Ansteckungen vorzubeugen und Kontakte zu reduzieren. Und die meisten, so zeigt die Umfrage, werden auch weiterhin die Videosprechstunde als Alternative anbieten.

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